In einem Gottesdienst wandte sich die Bischöfin von Washington mit sanften, aber klaren Worten direkt an Donald Trump. Ihre Aussagen trafen einen Nerv – auch beim Präsidenten.
So hat Donald Trump politische Kritik wohl schon lange nicht mehr zu hören bekommen. Nicht polemisch, nicht emotional, sondern mit sanften Worten und dennoch eindringlich. Mariann Edgar Budde, Bischöfin der Diözese in Washington, richtete sie während des traditionellen Gebetsgottesdienstes nach der Präsidentenvereidigung in Form einer Bitte direkt an Trump, der mit seinem Vize JD Vance in der Kirche saß.Trump als Auserwählter Gottes 6:17
„Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie, haben Sie Erbarmen mit den Menschen in unserem Land, die jetzt Angst haben“, sagte die anglikanische Geistliche an Trump gerichtet. Sie erwähnte schwule, lesbische und transsexuelle Kinder, die nun um ihr Leben fürchteten. Auch für Migranten, die die Abschiebung befürchten müssen, stand sie ein. Sie seien „vielleicht keine Staatsbürger oder haben keine Papiere“, sagte Budde: „Aber die große Mehrheit der Einwanderer ist nicht kriminell. Sie zahlen Steuern und sind gute Nachbarn.“X
Ein Aufruf zu Menschlichkeit an Donald Trump
Donald Trump hat in den vergangenen Tagen viel geredet, jetzt aber musste er zuhören. Das Gesicht des Präsidenten wirkte versteinert, während er einen Tag nach seiner Amtseinführung der Predigt lauschte. Mariann Buddes Worte gingen um die Welt, viele Menschen nicht nur in den Vereinigten Staaten machten sie sich zu eigen – in der Hoffnung, dass Trump in seiner gerade beginnenden Amtszeit zugänglich für Vernunft und Menschlichkeit ist.
Die 65-jährige Bischöfin übernahm 2011 das Amt in der Washingtoner Diözese der US-Episkopalkirche, einem Teil der anglikanischen Kirche. Sie war die erste Frau in dieser Funktion. Zuvor hatte sie als Pfarrerin in einer Kirche in Minneapolis gearbeitet. Als Bischöfin in Washington ist Budde schon rein geografisch nah dran an den Mächtigen. Dadurch kommt ihr auch die Rolle zu, diesen immer wieder ins Gewissen zu reden.
In der Vergangenheit äußerte sich Budde zu Themen wie Rassismus, Waffengesetzen, LGBTQ-Rechten und Klimaschutz. Sie glaube daran, dass „Jesus alle seine Nachfolger dazu auffordert, nach Gerechtigkeit und Frieden zu streben und die Würde jedes Menschen zu achten“, heißt es auf der Website ihrer Kirchengemeinde.FS Trump Inauguration Prominente 20.20
Bischöfin kritisierte Trump schon in seiner ersten Amtszeit
Auch für Donald Trump ist die Bischöfin keine Unbekannte. Sie hatte schon seine erste Amtszeit von 2017 bis 2021 kritisch begleitet. In einem Gastbeitrag für die „New York Times“ 2020 fand Budde harte Worte für einen umstrittenen Auftritt Trumps. Dieser hatte mit einer Bibel vor der St. John’s Church posiert – unmittelbar nachdem er angekündigt hatte, notfalls das Militär gegen die Proteste nach dem Tod des Schwarzen George Floyd einzusetzen. Als Bischöfin von Washington gehört die Kirche in ihren Amtsbereich.
Budde schrieb damals, sie sei „empört“ und „entsetzt“ darüber, wie Trump die Bibel und das Kirchengebäude für seine politischen Zwecke benutze. „Trump nutzte heilige Symbole, um sich den Anschein spiritueller Autorität zu geben, während er Positionen vertrat, die im Widerspruch zur Bibel standen, die er in seinen Händen hielt“, kritisierte Budde.
Trump verhöhnt Mariann Edgar Budde
Mit ihren Äußerungen macht Budde klar, dass es christliche Gläubige gibt, die nicht hinter Trump und seiner Politik stehen – auch wenn der Präsident in seinen Reden häufig angebliche christliche Werte propagiert und gerade in evangelikalen Kreisen viel Rückhalt genießt. Nachdem Trump im Wahlkampf ein Attentat überlebt hatte, hatte er sich sogar auf Gottes Schutz berufen.
„Ich habe den Präsidenten angesprochen, weil ich das Gefühl hatte, dass er jetzt einen Moment hat, in dem er sich beauftragt und ermächtigt fühlt, das zu tun, wozu er sich berufen fühlt“, erklärte Budde ihren Appell gegenüber der CNN-Moderatorin Erin Burnett. „Ich wollte sagen, dass es Raum für Barmherzigkeit gibt. Es gibt Raum für ein breiteres Mitgefühl.“
Bei Donald Trump scheinen Buddes Worte indes auf taube Ohren zu stoßen. Der Ton der Bischöfin sei „fies“ gewesen, ihre Aussagen „unangemessen“ und der Gottesdienst „sehr langweilig und uninspiriert“, schrieb der Präsident auf seiner Online-Plattform Truth Social. „Sie ist nicht sehr gut in ihrer Arbeit! Sie und ihre Kirche schulden der Öffentlichkeit eine Entschuldigung.“
Noch drastischer reagierten einige seiner Anhänger auf die Predigt. Der republikanische Kongressabgeordnete Mike Collins forderte schon, Bischöfin Budde müsse „auf die Abschiebeliste“ gesetzt werden.
Quellen: Washington National Cathedral, „New York Times“, „New York Times“ (2), Mike Collins auf X, Erin Burnett auf Instagram, Nachrichtenagentur DPA